Kind mit Brille und Fliege am Schreibtisch mit Blog, Laptop im Hintergrund, moderne braune Farben

Noch ungefähr ein Monat, dann habe ich die Probezeit in meinem neuen Job hinter mir.

Ein „Probe“ für meinen Arbeitgeber über meine Leistungsfähigkeit – und eine für mich über die Leistungsfähigkeit meines neuen Arbeitgebers, sich als „einer von den Guten“ zu beweisen.

Aber fangen wir von vorne an

In meiner letzten Anstellung in einem mittelständischen Handwerksbetrieb habe ich mir einen guten Stand erarbeitet. Das Suchen von Auszubildenden im Handwerk ist eine interessante Herausforderung für mich gewesen, die zu mir und meinen Werten passte.

Genau so war und ist es mit dem Unternehmen, in dem ich beschäftigt war. Diese Aufgabe habe ich jetzt aber in gute Hände abgegeben. Ich bereue nichts.

Zug nach vorne

Ich hatte schon längere Zeit das Gefühl, dass ich mich nicht mehr weiterentwickeln kann. Die Zeiten standen auf Wechsel. Also begab ich mich in die bekannten Portale und suchte eine neue Aufgabe.

Als Personalerin einen Job zu suchen, ist sehr interessant. Ich begebe mich auf die andere Seite. Plötzlich bin ich der Bewerbende und muss qualvoll lange Wartezeiten, Standard E-Mails und seltsame Portale für Bewerber in Kauf nehmen.

Vor allem größere Unternehmen haben hier nicht gerade mit Geschwindigkeit (oder Persönlichkeit) gepunktet. Außerdem bin ich mit Unternehmen und Vorgesetzen berufsmäßig schon ziemlich picky. Wasser predigen und Wein saufen gibt’s bei mir nicht!

Keine Liebe auf den ersten Blick

Auf einen der hiesigen Stellenportale fiel mir plötzlich die viel zu förmliche Ausschreibung eines Landratsamtes ganz in meiner Nähe auf.. nicht ,dass wir uns falsch verstehen, es war alles da, jede Information über die Stelle, die man benötigt. Aber eben in einer gewissen Art und Weise, wie es nur Behörden formulieren würden.

Irgendwie fand ich das sympathisch irritierend und weckte meine Neugier. Die große auch gesellschaftlich geführte Debatte, was eigentlich mit dem Fachkräftemangel in unseren Behörden los ist, kam unweigerlich in meine Gedanken.

Dem möchte ich auf den Grund gehen und mich mal selber bewerben, mal gucken was passiert.

Karriere in Behörde, oder was! Wie mich der öffentliche Dienst eingefangen hat 1

A few weeks later

Ich hatte meine Bewerbung schon fast wieder vergessen und war schon beim ein oder anderen Gespräch für eine neue Stelle gesessen, als ich die Einladung für ein Kennenlernen bekam. Ich möge mich doch am soundsovielten um soundso viel Uhr einfinden.

Ich musste schmunzeln, weil die Mail irgendwie frech auf mich wirkte. Ich habe mich „einzufinden…“ die haben’s gerade nötig, so mit Bewerbern zu reden, dachte ich mir.

Das schaue ich mir an!

Natürlich konnte ich an dem am Vormittag angesetzten Termin nicht, ich bat also um eine Terminverschiebung, was mir unter strengen Vorwürfen, was alles verschoben werden musste auch ermöglicht wurde. Okay, die wollen mich wohl wirklich sehen, fein.

Also fand ich mich ein

Ich kann mich noch genau erinnern als ich – eher orientierungsunbegabt – durch die schier endlosen Gänge des Landratsamt streifte, um den mir zugewiesenen Raum zu suchen. Etwas verlassen fühlte ich mich, aber das ist normal. Ich fand also den entsprechenden Raum, an dem ein Schild mir entgegenschrie „Bewerbungsgespräch – nicht eintreten, wir holen Sie herein!“

Tada, da bin ich!

Hinter der Türe war Gelächter zu hören, das war für mich ein gutes Zeichen. Trotzdem fühlte ich mich auf dem engen Gang mit der Tür vor der Nase und dem nicht gerade freundliche Schild etwas verunsichert.

Aber ich dachte mir, wie immer in solchen unkomfortablen Situationen, „ach, jetzt bist du eh schon hier, scheiß drauf, stell dich gerade hin, jetzt ziehst du es auch durch!“

Als man mir die Tür öffnete bot sich mir zunächst ein trauriger Anblick. Ein riesiger Raum, sechs Tische aneinandergestellt wie bei einer Gruppenarbeit in der Schule, vier Personen an dem Tisch platziert. Niemand gab mir die Hand und es gab auch kein Getränk. Vielleicht eine Corona-Nachwehe? Egal.

Bitte nehmen Sie den Ihnen zugewiesenen Platz ein

Man platzierte mich am Kopfende, das „Tribunal“ auf der anderen Seite. Aha, habe ich mir gedacht, so ist das hier also! Vier gegen eins, na zum Glück bin ich kampfsporterprobt.

Disclaimer: heute sitze ich übrigens in meiner Funktion als Recruiterin selber mit vier bis fünf Leuten und dem Bewerber zusammen und ich weiß jetzt auch, warum das so ist. Ich habe aus meiner Erfahrung gelernt, warne unsere neuen Kollegen in spe in einer freundlichen Einladung zum Gespräch vor.

Aber zurück zum Tribunal.

Ich breitete also die von mir vorbereiteten Unterlagen zur Organisation und zu meinem Lebenslauf vor mir aus, atmete noch einmal durch, lächelte fein und harrte der Dinge.

Karriere in Behörde, oder was! Wie mich der öffentliche Dienst eingefangen hat 2

Von da an bergauf

Der schlimmste Teil war somit überstanden, denn das Gespräch war angenehm und freundlich. Anwesende Personen wurden mir vorgestellt und auch der Ablauf erklärt. Das wirkte zwar etwas einstudiert aber gefällt mir gut.

Was mich eigentlich faszinierte, war die Aufgabe an sich. Man möchte eine neue Abteilung gründen, denn so wie die Dinge sind, können sie nicht bleiben.

Das Landratsamt braucht Hilfe!

Zu so einer Aufgabe kann ich schlecht nein sagen mit meinem kleinen Helferkomplex. Sie hatten mich herrlich unschuldig eigewickelt, aber ganz im positiven Sinne. Ich konnte hier viel Potenzial erkennen, mit dem ich meine, gute Personalarbeit bzw. Recruitung vorantreiben zu können.

Zum Mond oder in den ÖD

Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal in den öffentlichen Dienst gehe. Aber der Idealismus und auch eine interessante Vergütung und die Werte, die die Behörde ihren Mitarbeitenden gegenüber vertritt, schlugen bei mir einfach in eine Kerbe und ich wollte es versuchen.

Der weitere Verlauf gestaltete sich recht zügig und angenehm, es ging noch einmal kurz ums Geld, ich versicherte mich noch einmal, dass man mich und meine Stundenzahl richtig verstanden hatte (bei anderen Arbeitgebern war das hin und wieder in Problem).

Ich fragte ganz direkt: Herr …, finden Sie, so wie sie mich im Gespräch kennengelernt haben, ich passe in Ihre Behörde?“ Ohne zu zögern bejate er (das war sicher clever von ihm 😉). Das – und meine restlichen erfüllten Bedingungen – hat mir gereicht.

Und welche Werte?

Die Info über meinen Jobwechsel in den öffentlichen Dienst hat meistens die gleiche Reaktion verursacht: „was eine Behörde? Du? Oje…“

Tatsächlich hatte ich eher nach einem moderneren Umfeld gesucht, da ich mich selber als sehr lernfähig und nah am Geschehen der Jobwelt beschreiben würde. Nur 08/15 und Standard langweilen mich schnell und zahlen nicht auf meine Scannerpersönlichkeit ein, meine Ideen will ich auch einbringen können.

Aber ich habe in den über zwei Stunden, in denen ich beim Gespräch saß, sehr gut zugehört und ich habe Werte wiedererkannt, die mancherlei Arbeitgeber da draußen noch vermissen lässt.

Geklingelt hat es bei mir vor allem bei der Frauenquote, die über 50% liegt, bei einem sehr auf das Wohl der Mitarbeiter bedachten Personalrat. Bei Gehalttransparenz durch die Regelungen des TVÖDs, die für alle gleich gelten (geiles Zukunftsthema!). Bei der freien Gestaltung von Teilzeitmodellen.

Und was mir am meisten gefiel, man will hier etwas verändern! Es soll etwas geschaffen werden, was zukunftsfähig ist und dafür werden neue Leute gebraucht und neue Wege in Kauf genommen. Das ist schon sehr flexibel für einen öffentlichen Arbeitgeber, in dem die Struktur steht. Das fand ich spannend und will Teil davon sein.

 
Karriere in Behörde, oder was! Wie mich der öffentliche Dienst eingefangen hat 3

Ausgang noch unbekannt

Auch wenn man Idealismus auf den Boden der Tatsachen zurückgeführt wird, was ganz natürlich ist, bin ich die letzten fünf Monate bisher noch nicht enttäuscht worden. Meine Teamleitung führt auf Augenhöhe, Vorschläge und Neuerungen werden diskutiert und sind erwünscht (wenn auch manchmal in Endlosschleifen aber hey – nobody‘s perfect!). Ich werde als das was ich bin wahrgenommen, als motivierte und erfahrene Personalerin mit Herz und Verstand.

Tarifrecht – der Endgegner für Quereinsteiger

Für mich ist diese Reise eine neue spannende Herausforderung und ich lerne viel. Es ist sehr anspruchsvoll, das normale Recruiting in einer großen Organisation von +1.000 Mitarbeitenden zu verstehen und auszuüben und gleichzeitig alles Erforderliche über das deutsche Tarifrecht des öffentlichen Dienstes (inkl. aller anderen geltenden Verträge) zu erlernen und anzuwenden.

An manchen Tagen ist mein Hirn so voll, dass ich abends nicht mal mehr Kapazitäten für Stein, Papier, Schere hätte. Aber so langsam kommt Licht ins Dunkle und ich hoffe, ich kann wirken und meinen Input und meine Leistung gewinnbringend für mein Team und eine neue Personalarbeit in Behörden einbringen.

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Ich lade dich ein, mit mir auf diese spannende Entdeckungsreise durch die Behördenlandschaft und den TVÖD zu gehen und mit mir zu lernen, wie Transformation stattfinden kann. Ich freue mich, Teil davon zu sein und euch davon zu berichten!

Begleite mich auf meiner Reise auch gerne auf Instagram (jessica_reiner_) und auf LinkedIn, wo ich meine Gedanken und Eindrücke mit euch diskutiere.
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